13719644_160881597649247_2400496073729119950_oSamstag, 10. September 2016 um 19:00 UhrIMG_2265

Junge Künstler als Absolventen der Hochschule für Musik in Detmold

Stiftskirche Obermarsberg

Das Chorkonzert „Israelsbrünnlein“ von Johann Hermann Schein (1586-1630), dem sicher bedeutendsten Thomaskantor vor Johann Sebastian Bach. Das „Israelsbrünnlein“ stellt die wohl wichtigste Motetten-Sammlung der deutschen Musik des 17. Jahrhunderts dar. Unter den 26 Stücken sind die meisten auf alttestamentarische Texte komponiert, was der Sammlung ihren Namen gab. Ursprünglich entstanden für feierliche Anlässe wie z.B. Hochzeiten, Begräbnisse oder Promotionen, vereinen sie den weltlichen Portrait JuliMadrigalstil mit der polyphonen Kunst der geistlichen Motette.

Da an diesem Wochenende auch der Tag des Offenen Denkmals am 11. September begangen wird, bietet der „Förderkreis historisches Obermarsberg“ im Anschluss an das Konzert für Interessierte eine Führung durch die Stiftskirche an.

Psalmen unterm Reetdach

Warum junge Sänger Alte Musik machen und was James Last mit Frühbarock zu tun hat

„Noch einmal von vorne und nehmt ein bisschen von diesem James-Last-Swing dazu!“ – Samstag, 06. August 2016, 10:30 Uhr. In der großen Diele der „Ole Schün“ in Dannau sitzen 21 junge Menschen und teilen miteinander eine verrückte Mischung aus Urlaub und Arbeit. Es sind Berufsmusiker: Sechzehn Sänger, drei Instrumentalisten und zwei Chorleiter, die gemeinsam an der Hochschule für Musik in Detmold studiert haben und alle ihren Weg ins Berufsleben gehen. In Dannau verbringen sie zehn Tage voll intensiver Probenarbeit und gemeinsamer Freizeit. Wer selbst in einem Chor singt, weiß meist davon zu berichten, wie wichtig das Miteinander unter den Sängern ist, wie gut der Draht zum Chorleiter sein muss und wie sehr musikalische aus menschlicher Harmonie entsteht. Es ist ein weiter Weg, zu einem Ensemble zusammenzuwachsen, das buchstäblich mit einer Stimme singt. Bei Choristen, die das Musikmachen zu ihrem Beruf gewählt haben, ist dies nicht anders. Daher ist die zusammen verbrachte Zeit so wichtig, das gemeinsame Essen, das Proben, bei dem keiner fehlen darf. Die Stücke, die sich das Ensemble ausgesucht hat, stammen aus der Sammlung „Israelsbrünnlein“ des frühbarocken Komponisten Johann Hermann Schein. Es sind Psalmen und Sprüche Salomos, alttestamentarische Texte, deren Sprache Kraft und Stärke hat, die heutzutage in moderne Gedanken übersetzt werden müssen, um sie lebendig zu halten.

Die jungen Leute in Dannau haben sich darauf eingelassen, weil sie sich davon versprechen, etwas Ungewöhnliches zu schaffen. Ursprünglich war es eine Schnapsidee, ein „Eigentlich-müsste-man-mal…“ der Chorleiter und der beiden Organisatoren des Projektes: Eigentlich müsste man das „Israelsbrünnlein“ mal komplett aufführen, in einer kleinen Chorbesetzung, mit viel Zeit zum Proben. Dass genau dies nun Realität wird, ist dem unermüdlichen Einsatz der kleinen Truppe zu verdanken und den Förderern des jungen Ensembles. Die Unterstützung diverser Kulturträger ermöglicht den jungen Künstlern, in der musikalischen Landschaft ihren Platz zu finden und ihre Vision umzusetzen, ohne künstlerische Kompromisse eingehen zu müssen. Diese Freiheit, in Ruhe die eigene Interpretation der 26 Stücke zu erarbeiten, genießen das Ensemble und die beiden musikalischen Leiter sehr. Sie ist überall zu spüren, wenn die Musiker so ernsthaft proben und doch mit viel Humor und Wärme für das, was sie ausdrücken wollen.

„Und ergötze Dich allewege“ singt der Chor. Da klappert’s noch gewaltig! „Ihr nehmt das ‚und’ zu wichtig. Macht das kurz, dann swingt es von allein… Ich will da später gar nicht mehr dirigieren müssen.“ Detailliertes Arbeiten ist beiden Dirigenten, Jan Croonenbroeck und Alexander Toepper, immens wichtig. Nur durch Präzision und gemeinsame Disziplin ist es möglich, 21 individuelle, gut ausgebildete Musiker unter einen Hut, unter eine musikalische Idee, unter eine gemeinschaftliche Vision zu bringen. Die gerade geprobte Stelle klingt gar nicht nach klassischer frühbarocker Musik: Hier springen die Rhythmen durch die Stimmen, liegen swingende Jazzklänge in der Luft, die lange vor James Last erdacht wurden. Es ist unglaublich faszinierend, die Entwicklung des Ensembles zu beobachten: Von der Idee bis zum ersten erklingenden Ton vergehen mehr als 18 Monate. Es wurden viele Pläne geschmiedet, Förderer gesucht, Bewerbungen verfasst, geändert, verworfen und wieder neu geschrieben. Zum Leben des Berufsmusikers gehört dies ebenfalls dazu: die eigene Organisation. Und ganz plötzlich wird alles ganz real:

Alle kommen zusammen. Aus Stuttgart, München, Leipzig, Berlin, Heidelberg, Detmold, mit Zug, Auto oder Flugzeug, suchen die günstigsten Fahrkarten heraus, wollen möglichst früh buchen, damit die Ensemblekasse nicht über Gebühr belastet wird. Die Gruppendynamik funktioniert.

Nicht alle Ensemblemitglieder kannten sich vor der Probenphase, doch nach diesen zehn intensiven Tagen an der Ostsee — unterm Reetdach, in der kalten Kirche — sind alle eng verbunden. Es geschieht etwas Außergewöhnliches.

Jeder spürt es, man hat dieses Kind geboren, das Ensemble ist zusammengewachsen. Die 80 Minuten frühbarocker Swing-Musik beginnen zu klingen, werden mit Energie, Leidenschaft und Herzblut gesungen. Die anstehenden Konzerte werden zeigen, ob das Experiment geglückt ist, ob diese Gruppe junger Menschen eine Zukunft hat.

Das Ensemble Seicento Vocale gibt sein Debüt mit dem Programm „Israelsbrünnlein“ am 10. September um 19.00 Uhr in der Stiftskirche Obermarsberg. Genaue Informationen finden sich im Internet unter seicentovocale.de.

Fotos: Alexander Toepper (oben rechts) und Jan Croonenbroeck (unten rechts)